Standort: Hannover
Wettbewerb: 1. Preis 2011
Bauherr: Region Hannover
Bauzeit: 2013–2014
LP: 2–9
BGF: 1.700 m²
Landschaftsarchitektur: chora blau GbR
Ausstellung: Ikon Ausstellungen
Gedenkstätte Ahlem, Hannover
Kaum ein anderer Ort in der bundesdeutschen Gedenkstättenlandschaft weist eine so wechselhafte Geschichte auf wie das historische Gelände der ehemaligen Israelitischen Gartenbauschule in Ahlem: Es weiß von jüdischer Kultur und Hoffnung, aber auch von Verbrechen und Vernichtung zu berichten. Nach 15 Monaten Bauzeit wurde die neugestaltete Gedenkstätte im Juli 2014 von der Region Hannover gemeinsam mit Gästen aus Israel feierlich eröffnet.
Das historische Direktorenhaus wurde denkmalgerecht saniert und auf allen Etagen für eine Ausstellung hergerichtet, auf dem historischen Grundriss des ehemaligen Knabenhauses entstand ein neues Eingangsgebäude und im westlichen Geländebereich wurde ein Garten angelegt, der an die ehemaligen Schulgärten erinnert. Alle drei Bereiche sind durch eine neue zentrale Wegachse miteinander verbunden. Das Wechselspiel der Zeitschichten und Materialen unterstreicht die Ambivalenz des Ortes, der für Tod und Leben gleichermaßen steht. Die weichen Materialien Backstein und Putz des Direktorenhauses kontrastieren mit Glas, Stahl und Beton der Erweiterung sowie der Natur in Park und Garten.
Das neue Eingangsgebäude verfügt über einen überdachten, plateauartigen Vorplatz, der den Auftakt des Erinnerungsortes formuliert. Sichtachsen und Zugänge bestehen in den Garten und in das lichte Eingangsfoyer, das zur Ausstellung im ehemaligen Direktorenhaus überleitet. Gläserne Säulen scheinen das Dach zu tragen und versorgen den darunter liegenden Veranstaltungssaal mit Tageslicht. Sie sind unregelmäßig platziert und verdeutlichen mit ihrer Fragilität die Ambivalenz des Ortes. Das Gefühl der Unendlichkeit und Weite, das hier entsteht, kontrastiert später mit den kleinen Kabinetten im Direktorenhaus. Das ehemalige, 1905 erbaute Direktorenhaus wurde denkmalgerecht saniert, das historische Treppenhaus mitsamt seiner ursprünglichen Blätterornamente wiederhergestellt.
Für die neue Dauerausstellung und ihre Lernumgebung steht nun erstmalig das gesamte Gebäude zur Verfügung. Vormalig musste sich diese mit den Kellerräumen begnügen. Da die Ausstellung nun im restlichen Gebäude Platz findet, kommt der Keller, von der Gestapo für Verhöre genutzt, als Raum wieder zur Geltung und unterstreicht als eigenständiges Exponat die hier ausgestellten Themen. Einschnitte und Durchbrüche im Inneren des Hauses markieren die Zäsur der Geschichte und unterstützen die sinnliche Vermittlung der Ausstellung.
Der neu entstandene Garten mit seinen von Hecken gegliederten Blumen- und Kräuterbeeten macht die ehemaligen Schülergärten für die Besucherinnen und Besucher erneut erlebbar. In einer Arkade, die den Garten zur westlichen Grundstücksgrenze hin abschließt, befinden sich die Namenstafeln der Opfer. In Ruhe und Abgeschiedenheit kann hier in angemessener Form der Toten gedacht werden. Holzstege durchziehen die übrige Parkfläche und stellen Bezüge zu historisch bedeutenden Einzelbäumen, wie Kastanien mit Brandspuren, und der Laubhütte her, die von den Nationalsozialisten als Hinrichtungsstätte missbraucht und nun als Spur wieder kenntlich gemacht wurde.
Die räumliche Komposition verdichtet die komplexen Erzählstränge und Zeitschichten zu einem erlebbaren Ensemble. Die Ganzheit des Geländes mit seiner wechselvollen Geschichte wird räumlich verdichtet erfahrbar gemacht, über Sichtachsen und Raumfolgen die Besonderheit des Ortes herausgearbeitet. Anknüpfend an die vormalige Tradition der Israelitischen Gartenbauschule, in der das Lernen im alltäglichen Miteinander einen hohen Stellenwert hatte, wird auf dem Gelände wieder ein mit Leben gefüllter Lern- und Bildungsort eröffnet.